Feldpostbrief, 19. November 1917
Sysseele, den 19. November 1917,
am Montagnachmittag um 1/2 4 Uhr
Mein heißgeliebtes, gutes Lieschen!
Vor 2 Stunden sind wir hier angekommen. Meine ersten freien Augenblicke sollen für Dich sein, Liesi! Zur Abwechslung quälen mich allerdings mal wieder Zahnschmerzen. Im übrigen bessert sich's Befinden langsam. Gestern war der 6. Tag, die Fieber haben sich nicht wieder eingestellt. Auch heute ist die Temperatur normal. Gott sei Dank! Ich machte mir schon Sorgen.
Der Weg nach hier, etwa 16 km, ist mir nicht schwer geworden. Ich bin zusammen mit dem Oberarzt mit der Kompagnie geritten. Die Nacht habe ich nochmal gut geschlafen, wenigstens, nachdem mich die Zähne hatten zur Ruhe kommen lassen. Die Kompagnie, die mich in den Quartieren ablöste, kam erst um 1/2 10 Uhr, u. dann bin ich auch sofort abgerückt.
Eine längere Marschpause haben wir in Damme gemacht, in dem Orte, wo Till Eulenspiegel geboren sein soll. Damme, jetzt 10 - 12 km von der Küste entfernt, hat einst dicht am Meere gelegen, bis alles versandet wurde. Jetzt ein kleines Dörfchen, ist es früher eine Festung mit 6 Toren gewesen. Reste der alten Kirche sind erhalten u. wieder neu gebaut. Die Reste sind aber noch beinahe wie ein Dom.
Gerade wollte ich schreiben, daß Bruns doch morgen zurückkommen müsse, da klopft er schon an. Er ist also am Sonnabend schon dagewesen. Einerlei! Die l. Zeilen sind vom Sonnabend erst. Du u. die Buben, Ihr seid munter gewesen u. habt gut ausgesehen. Mehr will ich ja nicht. Aber doch hatte ich mich im Stillen mächtig aufs Paket gefreut. Die Verpflegung war oft mächtig einseitig hier. Da freut mich alles doppelt: Das schöne Gebäck, der leckere Apfelkuchen, der Käse, die Äpfel u. Nüsse! Die Äpfel lachen so freundlich mit ihren roten Bäckchen, als wollten sie mir ebenso wie die Blümchen von Liebe und Treue daheim erzählen, vom herzlieben Lieb und den lieben Jungen! Habt heißen Dank, alle Drei! - Ich habe noch einen Appell. Nachher werde ich mich in die warme Stube setzen u. lesen. Draußen ist's so rauh u. kalt.
Seid alle dem treuen Gott befohlen u. geherzt u. geküßt von Euerm dankbaren treuen
Vater.