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Feldpostbriefe unseres Großvaters, 1917, 1.7

15.05.1917
Vezon, Tournai, Belgique

Feldpostbrief, 15. Mai 1917


Vezon bei Tournai, Rue de Mons, 
Dienstag, den 15. Mai 1917, abends um 5 Uhr.

Mein Lieb,

gerade hatte ich mich etwas zum Schlafen hingelegt, da weckt mich der Feldwebel. Es ist telefonischer Befehl gekommen, daß wir nächste Nacht oder morgen abrücken. Näherer Bescheid kommt noch. Da will ich wenigstens schnell den Brief an Dich noch beenden.

Soldatenlos! Keine Stunde ist man sicher. Jeder von uns hatte doch mit wenigstens noch 14 Tagen Ruhe gerechnet. Wir hatten sie doch auch eigentlich ehrlich verdient. Und gerade jetzt deutet rein gar nichts auf so rasches Ende der Ruhe hin. Heute morgen noch war Besichtigung der 6 am 11. Mai nicht besichtigten Kompagnien des Regiments. Um 1 Uhr nachts bestellte mich der Telefonist dazu. Um 5 Uhr mußte ich aufstehen, u. um 6 Uhr fuhren Hellwege und ich mit dem Rittmeister u. unserm Adjutanten nach Tournai, wo um 1/2 8 der Zauber losging. Wieder genau das gleiche Bild wie damals bei uns: Kein Wort des Lobes u. der Anerkennung. Dafür Beschimpfungen der Offiziere und der Leute. Wir haben nun Arbeit, unsere Leute wieder zu beruhigen. Denn wir müssen mit ihnen auskommen. Wir sind auf sie angewiesen. Und wir alle kämpfen und bluten nun wieder für's Vaterland. Trotzalledem. Unser deutsches Volk ist so golden treu, so gut. Da sollte man unsere Leute anders behandeln. Es ist empörend.

Die Besichtigung dauerte bis 1/2 1 Uhr. Dann sind wir zum Kathedral-Hotel gefahren, wo wir sehr teuer, aber nicht gerade gut gegessen haben. Ein paar Glas schweren Burgunderweins haben mich sehr müde gemacht. Deshalb hätte ich so gern geschlafen. Wer weiß, ob's nun noch eine Stunde Schlaf gibt. - Gerade war Karl Grüter, unser Gerichtsoffizier, hier. Er läßt Dich grüßen. - Armes Lieschen! Du hast Dich vergeblich gefreut. Und - ich auch. Denn 5 oder 6 Tage Urlaub hätte ich wohl doch herausgeschlagen. Nun geht's wieder ins Ungewisse. Aber mit Gott! Und der wird mit uns sein. Küß mir die lieben Jungen heute besonders herzlich, Liesi! Ich hatte mich aufs Wiedersehen so herzlich gefreut. Gott befohlen! Gruß und Kuß

Dein getreuer Paul.

19.03.2013 в 23:17


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