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Feldpostbriefe unseres Großvaters, 1917, 1.2

20.02.1917
Lille, Frankreich, Frankreich
Paul Diekmann im Schützengraben 1917

Feldpostbrief, 20. Februar 1917


Im Schützengraben vor Blairville, den 20.2.17 
A 3, am Dienstagabend um 8 Uhr.

Mein heißgeliebtes Lieschen!

Ich komme gerade wieder aus Stellung. Kalt ist's draußen und naß und unerfreulich. Ein feiner Regen rieselt, und unsere schönen Gräben bröckeln allüberall. Die Grabenwände scheinen zu leben. Soweit das Gestein auftaut, bröckelt's ab. Auf den tiefen Stellen reicht's Wasser schon wieder bis an die Waden. Das bedeutet für die armen Leute wieder unendliche Arbeit. Und ungemütlich ist dies Wetter. Man friert mehr als beim Froste neulich. Nur nachts bin ich jetzt immer recht warm und schlafe gut.

Meine Post kommt jetzt sehr spärlich. Den ganzen Tag freue ich mich schon auf den Abend. Aber wie oft wurde ich nun schon enttäuscht! Eben kam schon die Post. Für mich mal wieder garnichts. Nun, Dir ist's ja in letzter Zeit genau so ergangen. Seit Du mir schriebst, daß Friedel Dir Abzüge geschickt habe, warte ich auch auf Bilder. Aber sie kommen nicht.

Gestern Abend hatte ich gleich 2 Briefe von Dir. Den versehentlich liegen gebliebenen Sonntag - Montagbrief und den vom Mittwoch. Du hast am Sonntagnachmittag, am 11.2., im gemütlichen Eßzimmer gesessen, mit den Gedanken bei mir und mit dem Wunsche, mich Dir gegenüber zu haben. Ja, Liesi, wir hätten uns viel häufiger gegenüber sitzen sollen, Auge in Auge und in trautem Zwiegespräch. Wie selten ist's aber eigentlich in den zwei langen Wochen dazu gekommen! Aber nur, glaube ich, weil's Urlaub war. Bloß Urlaub. Am Tage war ich voll Unruhe, u. Du glaubtest für mich sorgen zu müssen in Speise und in Trank. Und abends war dann Dein Paul müde und ungenießbar und verlangte ins Bett. Damit er vom folgenden Tage mehr hätte und er früher aufstehen könnte. Und wenn's dann 1/2 9 oder 9 Uhr mit Aufstehen wurde, dann war mir das schon nicht recht, und die verlorenen Stunden suchte ich dann törichterweise noch den ganzen Tag. So flog ein Tag nach dem andern, noch dazu in steter Furcht vor neuem Telegramm. Die Furcht vor bitterem Abschiede ist mir sonderbarerweise nie gekommen. Ich habe geglaubt u. hab's auch am 2. Februar noch zu Gustav gesagt, daß auch das Abschiednehmen zur Gewohnheit werde. In Waddenhausen wurde mir der Abschied ja auch nicht schwer. Selbst von Vater nicht und nicht von Mutters schneebedecktem Grabe. Anders war's schon in Nienhagen! Ich konnte mich kaum von all den traulichen Räumen trennen. Du hast's wohl gemerkt, u. zu Helmchen bin ich immer und immer wieder zurückgekehrt. Zum letztenmal, als ich durch die gefrorenen Scheiben der Haustür das liebe kleine nichts ahnende Gesichtchen nicht mehr sehen konnte u. Lieschen auch so weinte.

Und dann kam's Schwerste. Auf dem Bahnhofe. Mein Lieschen! Wie wacker hattest Du bis dahin der Tränen gewehrt! Da habe ich's gefühlt: Solch ein Abschied kann und wird nie Gewohnheit werden. Die Wahrscheinlichkeit, daß es das letzte Sehen auf Erden ist, war doch nie so groß als diesesmal, wo wir doch beide wußten, daß der letzte Teil des Krieges auch der schwerste u. schlimmste werden muß. Und doch hast Du recht: Wir müssen Gott danken dafür, daß wir die 2 schönen Wochen so schön haben verleben dürfen, glücklich und froh unserer Liebe und unserer beiden lieben gesunden Jungen! Gott wird unsere Gebete auch weiter erhören. - Es ist 10 Uhr. - Gute Nacht u. Gott befohlen!

Euer getreuer Vater.

18.03.2013 в 20:55


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