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Feldpostbriefe unseres Großvaters, 1917, 1.1

11.02.1917
Lille, Frankreich, Frankreich
Paul und Luise Diekmann vor der Schule/dem Wohnhaus Nienhagen, 1917

Feldpostbrief, 11. Februar 1917


Boiry Ste. Rictrude, den 11. Februar 1917, 

am Sonntagmorgen um 1/2 10 Uhr.

Mein Herzlieb!

Sonntagmorgen! Vom letzten habe ich nicht viel gehabt. So habe ich kaum jemals im Leben gefroren. Ich war von der langen Fahrt so todmüde, aber schlafen konnte ich kaum mal länger als 1/4 Stunde. In Herbesthal oder schon vorher in Cöln hätte ich so gern eine Karte geschrieben. Aber erst in Lille ist's mir möglich gewesen. Am wärmsten war mir's jedesmal, wenn ich Butterbrot gegessen hatte. Appetit hatte ich sonst nicht. Alle andern Herren rauchten. Trotzdem war's mit meinem Husten erträglich. Andere husteten ebensoviel.

In Lille mußte ich umsteigen. In Douai und Cambrai auch. Der Zug nach Cambrai dampfte verheißungsvoll aus allen Leitungsrohren. Umsomehr enttäuscht war jeder, daß der Zug genau so kalt war wie alle andern. Alle Scheiben waren so dick gefroren, daß man nach draußen nichts sah. Da wunderte ich mich dann, als bald hinter Cambrai Herren mit bestaubten Stiefeln einstiegen. Und wenn von da an mal wieder eine Tür geöffnet wurde, sah ich braune Felder nur dürftig mit Schnee bedeckt. Und bei meiner Abreise lag der Schnee genau so tief als in Deutschland. Es hat aber damals hier einige Tage nicht gefroren, und da ist der Schnee langsam wieder geschwunden. Dann hat aber Frost eingesetzt, wie ihn kein Franzose je erlebt hatte.

Am übelsten war übrigens die Fahrt von Cambrai nach hier. Die kalten Morgenstunden empfand man besonders. Und dabei wurde auf jeder kleinen Station lange gehalten. Die Strecke ist eingeleisig und wird riesig benutzt. Da bin ich dann oft auf den Bahnhöfen hin- u. hergelaufen, damit die Füße warm wurden. Ich hatte vorher manchmal das Gefühl, daß sie erfroren seien. Jeder hatte im Zuge fortwährend seine Beine in Bewegung, u. auf den Stationen wackelte der ganze Wagen. So arbeiteten die trampelnden Beine. Dabei war der ganze Zug so dichtgedrängt voll, daß jeder nur sein schmales Plätzchen hatte. Daß ich da oft an unsere warmen Betten, an die Küche und ans mollige Speisezimmer gedacht habe, mein Lieb, das kannst Du Dir denken. Gern hätte ich auch meinen Likör getrunken. Aber ich fürchtete mich, den Wäschesack zu öffnen. Und als ich ihn dann abends hier lospackte u. die Flasche vors Fenster stellte, kam sie auf der Steinfensterbank auf irgend eine Weise leicht zu Fall, u. der schöne Likör war hin. Schade! Aber Scherben bringen ja Glück. Und mehr als Glück ist's ja schon, daß mir die Reise nicht geschadet hat. Nach Zeitungsberichten bin ich doch wohl gerade während der kältesten Nacht unterwegs gewesen.

Hier hatten wir zum erstenmale vorige Nacht bewölkten Himmel. Es war recht milde. Heute morgen war Nebel und Rauhreif. Jetzt scheint schwach und weiß die Sonne. Ob's Wetter umschlägt? Wir wünschen es gerade nicht. - Meine Gedanken sind in Nienhagen. Du bist vielleicht zur Kirche. Wir haben heute Nachmittag Gottesdienst. Pastor Müller ist mit zu unserer Division gekommen u. beim Regiment geblieben. Ebenso wie der vorzügliche katholische Pfarrer, Dr. Eschweiler. - Schließen will ich heute Abd. Soeben höre ich, daß nach der furchtbaren Artillerievorbereitung der letzten Tage vorige Nacht das Dorf Serre von den Engländern genommen worden ist. Jammerschade!

Abds. 10 1/4 Uhr. Mein liebes, gutes Lieschen! Heute nachm. kamen Deine lieben Briefe vom Montag u. Dienstag. Herzlichsten Dank! Ich antworte morgen. Schade, daß die Aufnahmen nicht gelungen sind! Besonders die große von uns beiden! Ob wohl aus den andern etwas wird?

Beim Gottesdienst war's kalt. Dann hatte ich Dienst, Besprechungen u. Essen im Kasino bis jetzt. Die Stunden fliegen viel zu schnell. - Mir geht's gut. Gott befohlen u. herzlich treue Grüße für Dich u. die Kinder!

Dein Paul.

18.03.2013 в 15:39


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