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Feldpostbriefe unseres Großvaters, 1916, 4.11

22.12.1916
Haulchin, Frankreich, Frankreich
Dezember 1916. Paul Diekmann (ganz rechts) mit weiteren Offizieren in Haulchin

Feldpostbrief, 22. Dezember 1916

 Haulchin, den 22. Dezember 1916, 

Freitag, des Abends um 6 Uhr.

Mein heißgeliebtes, gutes Lieschen!

Der letzte Abend im gemütlichen Quartier! Noch eine Nacht im weichen warmen Bett! Morgen Abend brüllen uns die Geschütze der nahen Front wieder das Abendlied. Bis hier hat man sie heute wieder hören können, über 70-80 Kilometer weg. Man wird sich erst wieder gewöhnen müssen. Wie gut haben's da die Urlauber! Sie fahren zwar erst am 24. hier fort, fahren aber erst nicht mit nach Courcelles. Auch mein Bursche fährt mit. Ich habe ihm einen Urlaubsschein auch nach Nienhagen geschrieben u. gebe ihm außer diesem Briefe auch in einem Pakete einige Sachen mit. Auch ein Stückchen Käse ist dabei. Von unserm Verpflegungsoffizier. Der kam von Deutschland u. sagte mir, daß dort Käse nicht mehr zu haben sei. Vielleicht mache ich Dir eine Freude damit. Wir bekommen ihn eigentlich etwas zu oft. Unsere Verpflegung ist überhaupt vorzüglich. Da brauchst Du Dir keine Gedanken zu machen. Schick mir deshalb auch keine Würste mehr, Liesi! Es wäre unrecht. Hilf lieber dort mal jemandem! Die Lebensmittelnot in Deutschland scheint doch sehr groß zu sein.

Auch Dein Päckchen Kerzen schicke ich Dir wieder zurück. Selbst kann ich mir ja keinen Baum machen. Tannen gibt's nicht. Und für den großen gelieferten Kompagniebaum haben wir auch Kerzen bekommen. Wo der Baum brennen wird, das wissen wir noch nicht, sowenig wie ich weiß, wo morgen abend mein Quartier sein wird. Soldatenlos! Aber die Kerzen bewahr mir auf! Ich hoffe doch, daß unserer Jungen Lichterbaum noch Nadeln hat, wenn ich komme. Dann können wir uns, will's Gott, alle noch einmal zusammen über der Lichter Schein freuen. In unserer demnächstigen Stellung gibt's elektrisches Licht. Kerzen werden auch wohl überhaupt nur noch für die Marine geliefert.

Wenn man an den bitteren Mangel von Rohstoffen denkt, fängt man zu zweifeln an, ob wir noch weiter durchhalten können. Ein Stückchen Seife kostet hier 1,20 M. Aber Schaum gibt sie nicht. Und mit manchen andern Dingen geht's genau so. Ersatzmittel sind da doch nicht zu schaffen. Erst jetzt hören wir auch von Urlaubern, daß unsere Ernte nicht gut gewesen ist u. daß man sich große Sorge wegen der Kartoffeln macht. Und was wird für Obst gezahlt! 30 M der Zentner. Und für Weihnachtsnüsse haben wir beinahe 5 M für das Pfund bezahlt. Pfeffer hat uns neulich 18 M das Pfund gekostet. Ich war diese Zeit Kasinovorstand u. habe so einigen Einblick in diese Dinge bekommen. So übel hatte ich mir die Sache denn doch nicht gedacht.

Wie froh kann ich da sein, daß ich mir in dieser Beziehung Euretwegen keine Sorge zu machen brauche! Von unserm Schweinchen schreibst Du mir mal, nicht wahr? Und die Ziege ist wohl auch wieder gesund. Unser Hauptmann kauft auf, was er hier kriegen kann u. schickt einen Urlauber nach dem andern zu seiner Frau: Hasen u. Enten, Hühner und Tauben, Wurst und Speck und Käse. In Großstädten sei für alles Geld eben nichts mehr zu haben.

Da muß doch des Krieges Ende kommen. Und wenn die Gegner den Frieden noch so weit von sich weisen. Ich hoffe immer noch, daß die Worte der feindlichen Minister täuschen sollen wie unsere Note hat täuschen wollen.


Gestern abend waren alle Unteroffiziere des Bataillons mit uns im schönen Kasino. Die Regimentsmusik spielte, u. wir haben friedlich u. gemütlich beieinander gesessen bis 3 Uhr heute morgen. Um 8 Uhr wurd's Zeit, daß meine Koffer gepackt wurden. Da bin ich nun ein bischen recht müde, u. heute abend geht's früh zu Bett. - Hoffentlich. Eine kleine Abschiedsfeier wird sich nicht vermeiden lassen. Heute gab's keinen Dienst mehr. Da habe ich dann ein Buch, das ich in den ganzen 4 Wochen kaum zur Hälfte gelesen habe, zuende lesen können. Heute nachm. bin ich dann beim Kompf. der 11. Komp. gewesen, dem Kollegen Hellwege, der mir von allen Kameraden eigentlich am besten gefällt. Draußen goß es in Strömen. Trotzdem hatte heute abend der Hauptmann noch die Regimentsmusik kommen lassen. Sie spielte auf dem Marktplätze zum Abschied. Unsere Leute sind mit der Bevölkerung gut fertig geworden. Ich glaube überhaupt, daß wir mit dem Ersatz zufrieden sein dürfen. Besonders nachdem wir vor einigen Tagen 42 der ältesten und schwächsten Lt. von jeder Kompagnie abgegeben haben.

Post haben wir nun schon 2 Tage lang nicht mehr erhalten. Aber wahrscheinlich erwartet sie uns in Courcelles, wo das Rgt. ja nun schon zwei Tage liegt. Hoffentlich ist meine Post immer mitgekommen u. hoffentlich trifft Euch dieser Brief gesund an! Mitnehmen soll Troester nichts. Ich habe ja doch alles. - Mir geht's gut. Erkältet bin ich allerdings immer noch. - Gott befohlen, Liesi! Ich bin mit Gruß u. Kuß in

treuester Liebe Euer Vater

18.03.2013 в 05:07


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