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Feldpostbriefe unseres Großvaters, 1916, 4.5

11.11.1916
Douaumont, Frankreich, Frankreich

Feldpostbrief, 11. November 1916

Im Schützengraben am Ancrebach, den 11. November 1916 
B 6, U 29, am Sonnabend Abend um 1/2 6 Uhr.

Mein heißgeliebtes, gutes Lieschen!

Ihr rüstet auf den Feiertag. Hier scheint's nicht so, als ob der Sonntag ein Ruhetag werden sollte. Ununterbrochen liegt seit heute Mittag wieder schwerstes Feuer auf unsern Gräben. So kannten wir's seit langem schon nicht mehr, u. wir hatten uns eigentlich alle schon mit dem Gedanken vertraut gemacht, daß endlich, endlich das Ende der Offensive da sei. Das scheint nun keineswegs so. Gestern morgen fing's mit einem furchtbaren 3/4 stündigen Trommelfeuer wieder an. Dann kam einige Ruhe bis zum Nachmittage. Aber dann ging's weiter die ganze Nacht durch und endete mit dem gewaltigen Trommelfeuer heute morgen. D.h. nur, um gleich nach Mittag um so toller wieder einzusetzen. Rechts von uns ist's allerdings noch viel schlimmer. Sonst war wenigstens jeden Abend um diese Zeit Schluß, u. die Leute konnten Essen holen. Ob's heute anders sein soll? Das wäre allerdings ein übles Zeichen.

Aus den Heeresberichten der letzten Tage sehe ich, daß auch an der Somme und bei Verdun die Schlacht weiter tobt u. daß vor allem die Franzosen immer weitere Vorteile erringen. Da dürfen natürlich die Engländer schon nicht untätig bleiben, auch wenn sie es vielleicht gern möchten. Ein Rätsel ist und bleibt uns, woher bloß die unendlich viele Munition kommt! Millionenwerte fliegen tagsüber auf und hinter unsere Stellung. Es ist furchtbar. Dabei war's den ganzen Tag nebelig. Flieger waren nur heute morgen da. Einen hat scheinbar einer meiner Grabenposten mit dem Gewehr heruntergeholt. Er landete dicht hinter der englischen Linie u. verschwand dort im Nebel.

Die Friedensgerüchte erhalten sich hartnäckig. Mit Rußland soll ein 10- oder 12-tägiger Waffenstillstand zustande gekommen sein. "Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube", sagt Goethe im Faust. Und diese Botschaft ist wahrlich zu schön, als dass man sie glauben könnte. Aber bei Gott ist ja kein Ding unmöglich. Zu ihm wollen wir rufen in all unserer Not, an ihn uns halten zu jeder Zeit!

Es ist gleich 6 Uhr. Ich komme von oben. Da hängt ein Nebel in der Luft, undurchdringlich dicht. Er fällt schon in leisen Tropfen nieder. Wir hatten Vollmond, u. nun wird wohl der eigentliche Winterregen einsetzen. Wenn nur bei solch unsichtigem Wetter nicht ein Angriff einsetzt! Man sieht dann die stürmenden Truppen erst dicht am Graben, wenn's zu spät ist, und die Signale von roten Leuchtkugeln, die unsere Artillerie zu Hilfe rufen sollen, werden nicht gesehen und sind vergeblich geschossen. Wenn dann kein Sperrfeuer einsetzt, kann der Feind in solchen Massen eindringen, daß an Verteidigung kaum zu denken ist. Andererseits weiß ja allerdings auch die feindliche Artillerie dann nicht, was los ist. Für unsere Grabenposten ist's jedenfalls eine schwere Aufgabe, in das undurchdringliche Grau hineinzustarren - stundenlang. Und das nun schon 10 Wochen, Tag für Tag, Nacht für Nacht! Was unsere braven Leute leisten, das wissen nur wir! Und wenn ich durch den Graben gehe und sie anspreche: Nie sind sie unzufrieden und mürrisch. Wie lieb ich darum die Leute habe! Wie es mir wehe tut, wenn einer schwer verwundet ist und dem sichern Tode entgegengeht! Und unendlich schwer wird's mir, dem Vater oder der Mutter daheim im fernen Polen oder sonstwo im lieben Vaterlande den Tod des braven Sohnes mitteilen zu müssen. Aber ich tue es stets selbst.

Jetzt endlich ist's etwas ruhiger geworden. Draußen klappern die Kochgeschirre schon. Und im Nebenstollen, wo meine Patrouillengruppe liegt, singt's u. klingts'. Steh ich in finst'rer Mitternacht - Goldig deutsches Gemüt! - Brief und Zeitung von Montag u. Dienstag kamen gestern abend. Vielen Dank, m. Lieb! Etwas schneller kommen ja nun meine Briefe auch wohl an! Der Angriff, von dem Du schriebst, war nicht nördlich, sondern östlich der Ancre. Also am andern Ufer. Dem lieben Helmut heißen Dank für sein liebes Schreiben! Kauf ihm doch mal recht etwas Schönes zum Dank dafür!

Bub hat mit Hans gespielt? Er schließt sich wohl gern an andere an?

Grüß u. küß auch ihn! Und damit dem treuen Gott befohlen!

Er wolle uns alle schirmen u. schützen! Mit treuem Gruß u. Kuß

Dein dankbarer Paul.

16.03.2013 в 16:13


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