Feldpostbrief, 14. März 1916
Huvet bei Péronne, den 14. März 1916, Dienstag, des nachmittags 3 Uhr
Mein liebes, gutes Lieschen!
Da ich noch einige Zeit im Kriegstagebuche nachzutragen hatte, bin ich heute nachmittag vom Dienst zurückgeblieben. Man findet ja sonst auch kaum Zeit. Morgens sind wir zwar stets um 1/2 12 zurück, u. um 3 Uhr beginnt der Dienst erst wieder. Aber die Frühlingsluft macht so müde, daß man die paar Mittagsstunden für die Ruhe unbedingt nötig hat. Da haben wir uns denn auch eine Bank in die Sonne gerückt und sowohl vor als nach dem Essen uns eine ganze Stunde lang gesonnt. Das tut wohl, besonders, wenn man beim Exerzieren schon geschwitzt hat.
Weil dann nachmittags der Dienst meist bis 1/2 5 dauert und von 5-6 noch Reitunterricht ist, wird die Zeit sehr knapp. Abends bleibt man nach dem gemeinschaftlichen Essen auch meist noch eine Zeitlang sitzen, u. dann fehlt schon die Lust, noch irgend etwas anzufangen. Ich gehe daher auch meist früh zu Bett.
Sonderbar, wie doch die Frühlingsluft immer und immer wieder angreift! Der erste Schweiß macht furchtbar schlaff. Und trotzdem fühle ich, wie das dem Körper wohl tut. Nachts schlafe ich dann auch jedesmal vorzüglich.
Ein Vergnügen ist's auch hier wieder, den Frühling kommen zu sehen. Wenn nur nicht die Sehnsucht nach der Heimat und dem Frieden so wüchse! Wie schön habe ich mir gerade die Frühlingstage gedacht, wenn ich mit Bubi losziehen wollte in den lachenden Sonnenschein hinein. Jetzt ist der Junge soweit, aber immer noch ist Krieg. Immer noch. Und wie lange wohl noch? Glaubst Du auch, Liesi, daß wir nun, wo des Winters Schrecken und Schwierigkeiten überwunden erscheinen, schon wieder an den nächsten Winter denken? Gebe Gott, daß unsere Sorge zu weit reicht! Aber man rechnet ja doch nun schließlich mit allem. Wer hat denn jetzt vor einem Jahr ernstlich mit einem Winterfeldzuge gerechnet? Aber wir wollen nicht zu weit voraus rechnen! So plötzlich der Krieg kam, so schnell kann ja auch sein Ende kommen. Irgendwo und irgendwann muß ja mal der ehrliche Mut gefunden werden zu sagen: Es geht nicht mehr; jede Fortsetzung des Krieges ist Wahnsinn. Zwar wir werden's nicht sagen können, und unsere Feinde werden's nicht sagen wollen. Und dennoch! [...]
Gott befohlen, m. Lieb! Seid alle drei herzlichst gegrüßt
von Eurem treuen Vater.