Feldpostbrief, 6. April 1916
Cysoing, den 6. April 1916, am Donnerstagnachm. 1/2 5 Uhr.
Mein liebes, gutes Lieschen!
[...] Heute morgen fand die Besichtigung des Kompagnieführerkursus statt. Es war der 9. u. soll der letzte sein. In einer Ansprache betonte der Kommandierende General, daß er fest u. zuversichtlich auf eine Verwendung seines 7. Korps in einem Bewegungskriege hoffe. Die Ruhezeit, die 2 und 3 Wochen und noch länger dauern könne, müsse daher der Vorbereitung für den Bewegungskrieg dienen. Daß und ob wir nun nächstens irgendwo angreifen sollen, ist damit natürlich keineswegs gesagt. Vielleicht liegen wir, ehe wir's ahnen, schon wieder irgendwo im Schützengraben. Sorgen und Gedanken für die Zukunft macht sich jedenfalls keiner von uns. Und Du sollst das auch nicht, mein l. Lieschen! Zumal ja noch keineswegs feststeht, daß wir beim 7. Korps bleiben.
Über eins dürfen wir uns freuen: Daß nun 4 mal nacheinander unsere Luftschiffe in England gewesen sind. Man war schon besorgt, daß unsere Regierung aus irgendwelchen unverständlichen Gründen die scharfe Waffe unserer schönen U-Boote und gefürchteten Luftschiffe gegen England nicht voll und ganz anwenden wolle. Besonders der Kaiser soll dagegen gewesen sein. England hätte uns das natürlich nur als Schwäche ausgelegt. Das hätte aber ohne Frage den unglückseligen Krieg nur verlängert. Ich meine daher, daß wir alle unsere Mittel rücksichtslos anwenden müssen, um unsere Gegner niederzuringen. Als Barbaren sind wir ja nun doch mal verschrieen. Und würden wohl unsere Feinde mit der Anwendung der Mittel zögern, wenn sie die hätten? Ganz gewiß nicht. [...]
Hier ist's wieder ungemütlich kalt. Heute morgen habe ich ohne Mantel gefroren. Heute abend sind wir zum Abschiedsfeste des Kompagnieführerkursus eingeladen. Vielleicht gehe ich hin. - Allen Lieben herzliche Grüße! Dir und unsern Jungen ein treues "Gott befohlen!" u. heiße Küsse!
Dein treuer Paul.