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Feldpostbriefe unseres Großvaters, 1915, 1.5

06.12.1915
La Bassée, Frankreich, Frankreich
1917. Paul Diekmann mit Frau und Söhnen

Feldpostbrief, 6. Dezember 1915

Klein Hantay, Montag, den 6. Dezember 1915.

An meinen lieben Helmut!

Dein erster Geburtstag! Und Dein Vater immer noch im Felde wie heute vor einem Jahre auch. Und wer weiß, obs übers Jahr schon Friede ist! Schlimmer als vor einem Jahre rollt an der nahen Front u. gewaltiger der furchtbare Donner der Geschütze. Und dazu kämpfen wir einen schier aussichtslosen Kampf gegen die Elemente. Gegen das Wasser. Als ob uns die Natur immer wieder zeigen will, daß alle Weisheit u. Kunst u. Kraft der Menschen rein gar nichts bedeutet gegen ihre Gewalten. Wie klein ist doch trotz allem der Mensch!

Du fühlst u. ahnst noch nichts von allem dem. Wohl bist Du geboren worden als Dein Vater fern war. Wohl hast Du Dein erstes Lebensjahr ohne ihn leben müssen. Aber der Mutterliebe zarte Sorgen bewachten Deinen goldnen Morgen. Und als das herzig gute Mütterlein mal für 6 Wochen Dich hat verlassen müssen um ihrer gefährdeten Gesundheit willen, da hat's Dir auch an treuer Liebe nicht gefehlt. Das hat Dein Vater selbst gesehen, als er am späten Abend des 1. September Dich leise geweckt u. in die Arme geschlossen hat. Und Du hast nicht geweint. Und hast dem fremden Mann nicht gewehrt. Du hast gelächelt sogar u. Dich vom Vater tragen lassen. Und still bist Du wieder eingeschlafen. Zwei Tage später kam's Mütterlein heim, u. glückliche zwei Wochen sind gefolgt. Für uns alle.


Ein Kriegsjunge bist Du. Und unter Sorgen bist Du groß geworden. So groß, daß Du nun grad noch laufen gelernt hast vorm Geburtstage. Der Mutter Freude über den ersten Schritt ist auch des Vaters Freude gewesen. Wie er dann auch mit ihr gebangt u. gesorgt hat in jenen Vorfrühlingstagen dieses Jahres, als Du schwer krank gelegen hast. Gott hat geholfen. Und wenn Deine Gesundheit auch seit jenen Tagen nicht mehr ganz so widerstandsfähig scheint: Es wird schon wieder werden. Dein Mütterlein tut ja doch alles, was in ihren Kräften steht. Für Deinen größern Bruder wirst Du nun gar bald der Spielkamerad sein, der ihn gern u. oft zur Schule zieht.

Zwei gute Menschen sind heute an Deinem Geburtstage nicht mehr. Dein Patenonkel ist den schönen Heldentod für's Vaterland gestorben. Er hat Dich nicht mehr gesehen. Das tote Großmütterlein hat sich noch über Dich freuen dürfen.

Gott mit Dir u. mit uns auch im neuen Lebensjahre! Ich bin Dein treuer Vater.

11.03.2013 в 14:58


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