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Flucht aus der DDR 1953

24.05.1953
Berlin, Deutschland, Deutschland

Pfingsten [1953] stand kurz bevor, ich fuhr zufällig eines Tages mit der Straßenbahn zum Dienst, da stand im Wagen neben mir eine Kollegin von Jenapharm, von der ich nur wusste, dass sie in der Zentrale einen wichtigen Verwaltungsposten hatte, nur als elegante, attraktive Frau war sie mir immer aufgefallen. Sie sprach mich leise an und erklärte mir, als ehemaliger Offizier sei ich von der Betriebsleitung vorgesehen, die Betriebskampfgruppe zu leiten. Man befürchte Aufstände, und dagegen solle die Betriebskampfgruppe eingesetzt werden. Das war der erste und einzige Kontakt mit dieser Frau, der ich für ihren Mut großen Dank schulde.
Blitzartig war mein Entschluss gefasst. Ich musste sofort in den Westen, so schnell wie möglich. Nie wieder schießen, schon gar nicht auf diejenigen, die so denken wie ich. Ich beantragte Pfingsturlaub ab sofort, bekam ihn, und am folgenden Tag nahm ich Abschied von meiner ganzen bisherigen Existenz.
[…] Die ganze Stimmung im Lande steigerte sich zu einer schon fast greifbaren Entladung, und mit derselben Brutalität, die zur Vertreibung oder Ermordung der Gutsbesitzer und Großbauern geführt hatte, und der wir auch die Verschleppung der Offiziere zu [ver]danken hatten, diese Brutalität würde unter Aufständischen ein Blutbad herbeiführen. Und ich sollte das Kommando zum Schießen geben? Nein.
Wir, das heißt Evchen, Natchen und ich, hatten in der letzten Zeit ein zurückhaltendes Leben geführt. […] So hatten wir uns ein Gegengewicht gegen den Phrasenschwall und die verlogenen Aktionen der sozialistischen Umwelt geschaffen. Doch die Grenze der erträglichen Belastungen war nun überschritten, ich musste fort. So schnell wie möglich.
Evchen […] war nicht in der Lage, innerhalb einiger Stunden so schwerwiegende Entscheidungen zu treffen. Ich ließ ihr Zeit, wir vereinbarten nur, dass ich ein Telegramm aus Westberlin mit unverfänglichem Inhalt schreiben würde. Am nächsten Morgen machte ich mich für die Fahrt bereit, ich nahm nur eine Aktentasche mit. […]

Mit der Bahn fuhr ich nach Berlin. Die Fahrkarte hatte ich bis Waren an der Müritz gelöst, damit nicht Berlin als verräterisches Endziel genannt war. Der Zug offensichtlich voller Flüchtlinge. Ängstliche Gesichter, volle Aktentaschen. Ich hatte zum Selbstschutz das SED-Parteiabzeichen angesteckt. Alle beäugten mich misstrauisch. Kontrollen gab es nicht. In Berlin nahm ich die U-Bahn von Mitte nach Nord, Station Gesundbrunnen lag in Westberlin, dort dann mit der S-Bahn in Westrichtung. Keine Kontrollen. In Zehlendorf dann eine Adresse: Auerhahnbalz 5. Der Besitz entfernter Verwandtschaft. Die Mieter gottlob voller Verständnis. Dann zum Funkturm, dort die Flüchtlingszentrale. Ein Laufzettel mit 30 Adressaten, der mich noch vier Wochen lang beschäftigen würde. Dann kam ich zur Ruhe und schickte ein Telegramm: Tante Berta gesund.

03.03.2013 в 11:56


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