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Feldpostbriefe unseres Großvaters, 1916, 3.8

16.09.1916
Beaucourt sur Ancre, Frankreich, Frankreich

Feldpostbrief, 18. September 1916

Im Schützengraben vor Beaucourt, den 18. Septb. 1916 
B 6, U. 29., Montagabend 1/2 7 Uhr.

Mein heißgeliebtes, gutes Lieschen!

Mein Tagebuch vom vorigen Jahre habe ich nicht hier. Aber ich glaube, daß es genau um diese Stunde war, als ich erfuhr, daß ich keine Mutter mehr hatte. In meiner schönen Kompagnieführerdeckung am Jägerhof bei La Bassée hatte ich auch damals gerade meinen Brief an Dich zu schreiben angefangen, als mir der Telefonist den Fernspruch mitteilte. Du erinnerst Dich wohl noch. Damals war prachtvolles Herbstwetter. Und als ich am andern Morgen vom Rgts.-Motorfahrer bis Lille mit seinem Motorrade gebracht wurde, hatte es stark gereift. Jetzt regnets draußen in Strömen.

Unsere kaum wieder aufgeschütteten Gräben zerfließen, und all die viele Arbeit der schweren 14 Tage scheint vergeblich. Wenn der von all der Artilleriemunition völlig zu Mehl gewordene Kalkboden mit Wasser sich mengt, dann gibts Kalkschlamm. Und der fließt dickflüssig. Das Zeug klebt an den Füßen, daß man kaum weiterkann.

Die Gefechtstätigkeit leidet natürlich unter solchem Wetter. Gestern abend habe ich wieder ein schauerliches Schlachtenbild gesehen. Eins übertrifft jetzt immer das andere. Und dabei glaubte ich immer schon, furchtbares mitgemacht zu haben. Es ging mal wieder um Thiepval. Und die Dunkelheit schickte ihre ersten Schatten. Aber die Höhe rechts von Thiepval war in Feuer gehüllt. Und Rauch zog über dem Ganzen hin, der all die Schrecken verhüllen wollte. Aber blutrot leuchteten 4 Schweinwerfer durch den dichten Rauch. Das werde ich nie vergessen. Sie sollten wohl den stürmenden Engländern Signale sein. Aber etwas so Grausiges, wie diese buchstäblich blutroten Lichter in ihrem ruhigen Schein in all dem wehenden Rauch u. zwischen dem zuckenden Feuer krepierender Granaten u. Schrapnels sich dem Auge darboten, Liesi, das läßt sich nicht beschreiben, dafür hat auch kein Maler Farben. Uns möge man Schlachtenbilder zeigen später, soviel man will -solch grausige Wirklichkeit kann nie und nimmer dargestellt werden.

Ob etwas erreicht ist durch den Sturm, das weiß ich nicht. Wahrnehmen konnte ich's nicht. Der heutige Heeresbericht konnte davon noch nichts bringen. Im übrigen lautete er ja nicht gerade ungünstig. Vor allem in Rumänien ist unsere Lage scheinbar günstig. Und es gibt ja heute viele Leute, die glauben, dort, fern im Osten, falle die Entscheidung.

Ein Brief kam gestern von Dir nicht. Da gibt's gewiß doch heute einen. Vielleicht sogar ein Paket. Morgen hat ja Dein Paul Geburtstag, u. den vergißt mein Frauchen nicht. 35 Jahre. Dein Mann wird alt, Liesi! Aber mein Herz ist jung geblieben und wird's auch bleiben, wenn ich Leben u. Gesundheit behalte.

Wenn alles gut geht, werde ich morgen durch die 10. Komp. abgelöst, u. ich kann morgen abend meinen Geburtstag in 2. Stellung feiern. Da ich mit dem Kompagnieführer der 10. Komp., Ltn. Neise, sehr gut fertig werde, ist das Zusammenarbeiten der beiden Kompagnien ein Vergnügen. Vielleicht ist um 9 Uhr die Ablösung schon beendet. Dann gibts für 14 Tage ein vielleicht etwas ruhigeres u. regelmäßigeres Leben. Hier gings an die Nerven.

Leider ist mein gestriger Brief nicht mitgekommen u. liegt noch auf der Schreibstube. Nun wird er wohl mit diesem Br. zusammenkommen.

Ich bin mit herzlichstem Gruß u. heißem Kuß in treuer Liebe

"Gott befohlen!" Euer Vater

Апублікавана 15.03.2013 в 08:35

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