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Feldpostbriefe unseres Großvaters, 1916, 3.4

09.09.1916
Beaucourt sur Ancre, Frankreich, Frankreich

Feldpostbrief, 9. September 1916

Im Schützengraben vor Beaucourt sur Ancre, d. 9.9.1916 
am Sonnabendnachmittag um 2 Uhr.

Mein heißgeliebtes, gutes Lieschen!

Dein versprochener ausführlicher Brief ist noch nicht gekommen. Aber auch andere Post kam nicht. Wahrscheinlich klappt's mit der Verbindung nach hier noch nicht. Das Rgt. liegt von unserer Division zu weit ab. Wir gehören augenblicklich zur 26. Res. Inf. Brigade (Generalltn. Frhr. v. Soden). Unsere Postadresse wird aber wohl kaum geändert werden. Jedenfalls schreibe ich's sonst sofort. Im allgemeinen kann man eigentlich sagen, daß es bei uns etwas ruhiger geworden ist. Heute ist z.B. noch wenig geschossen. In den letzten Nächten ist bei dem hellen Mondenschein auch ziemlich gearbeitet worden. Das würden die Engländer kaum dulden, wenn sie die Absicht hätten, bald wieder anzugreifen. Wenn wir aber nur einige Wochen Ruhe bekommen, werden wir die Stellung schon wieder verteidigungsfähig haben. Arbeit gibt's ja mächtig. Besonders wenn am Tage so manches wieder eingeschossen wird, was nachts mit Mühe aufgebaut ist.

Gestern abend war wieder ein schwerer Angriff. Scheinbar dicht links von Thiepval. Ob die Engländer Erfolg gehabt haben, konnten wir von hier aus nicht feststellen. Hoffentlich nicht! Ich war gestern um Mitternacht in Stellung. Eine stimmungsvolle Mondscheinnacht! Besonders, als es um Thiepval ruhiger wurde. Da bin ich zum erstenmale auch durch den Abschnitt der links von uns liegenden 12. Komp. gewesen. Die stößt links an die Ancre. Die Ancre bildet dort aber einen derartigen Sumpf mit kleinen Seen, daß selbst im Hochsommer nicht durchzukommen ist. Deshalb hören dort die Stellungen einfach auf. 300 m jenseits der Bahn, die am Ancretalrande von Achiet le Grand nach St. Albert führt, beginnen am jenseitigen Talrande die Stellungen wieder. Am 3. Septb. haben die Engländer nun auch am Bahndamm entlang durchzukommen gesucht. Es war ihnen auch gelungen. Bis sie dann weiter hinten das Schicksal ereilte.

Dann ging ich ganz zum rechten Flügel meiner Kompagnie. Dort hatte man gestern nachm. im Drahtverhau noch einen englischen Verwundeten bemerkt. Der sollte geholt werden. Ich wollt's eigentlich verbieten. Er lag so dicht am engl. Graben wie an unsern. "Aber wer war da der Nächste dem, der unter die Mörder gefallen war?" Wir sinds gewesen. Unsere Leute haben gesucht, gerufen. Sie waren in höchster Lebensgefahr. Der Verwundete hat sich aber totgestellt u. sich mit seiner Zeltbahn zugedeckt. Heute morgen erst hat man ihn wiedergesehen, als er seinen Kameraden im engl. Graben winkte. Da haben ihn 3 meiner wackern Leute geholt. Behutsam, wie man ein krankes Kind trägt. Beinahe 7 Tage hat der arme Kerl gelegen. Aber gemeldet hatte er sich in seiner Höllenangst vor den Barbaren nicht. Jetzt werden unsere Ärzte alles dransetzen, die schon angefaulten schweren Wunden zu heilen. Na, die Engländer haben unsere "barmherzigen Samariter" wenigstens nicht beschossen. So hat meine Kompagnie nun schon 8 Leute gerettet. Deutsche Barbaren! Ob eine Gerechtigkeit der Weltgeschichte es zulassen kann, dass unser deutsches Volk zugrunde geht?

Vorgestern schickte mir Schneidermann eine Karte aus Oerlinghausen. Er hatte mit Junker u. Lütchemeier eine Wanderung durch die blühende Heide der Senne gemacht. Wie mich da das Heimweh mächtig packte! Du weißt ja, Liesi, wie ich gerade um diese Zeit die braune Senne liebe. Und mit der gleichen treuen Liebe bin ich ewig Dein. Wie heißts in der Löweschen Ballade doch?

"Der ist in tiefster Seele treu, der die Heimat so liebt wie Du!"

In diesem Sinne grüße und küsse ich Dich und die lieben Jungen als Euer treuer Vater.

Gott mit uns allen!

Апублікавана 14.03.2013 в 11:30

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