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Feldpostbriefe unseres Großvaters, 1916, 4.2

29.10.1916
Douaumont, Frankreich, Frankreich

Feldpostbrief, 29. Oktober 1916

Im Bismarckstollen B 6, den 29. Oktober 1916 
am Sonntagmorgen um 3/4 8 Uhr.

Mein heißgeliebtes, gutes Lieschen!

Sonntag ist's, u. kaum wirds hell. Das übliche Artillerieschießen scheint beendet zu sein. Jetzt fallen nur noch einzelne Schüsse. Da weilen meine Gedanken längst bei Euch im lieben Heim, u. heute werden sie, will's Gott, noch häufige Einkehr halten dort. An Zeit und Muße fehlt's ja nicht. Wenn man solange ununterbrochen in Stellung liegt, dann bildet sich allmählich ein so fester, regelmäßiger Dienstbetrieb heraus, daß sich die tägliche Arbeit schnell erledigt. Und was ich früher alles selbst machen mußte, das macht jetzt mein Schreiber bis auf die Unterschrift fertig. Ich finde da viel Zeit zum Lesen u. habe die Gelegenheit auch redlich ausgenutzt. Und doch befriedigt dies Leben nicht so ganz. Ruhezeit und Feierstunden müssen ein seltener Genuß sein, müssen sein wie Oasen in der Wüste. Dann erquicken sie und sind ein Genuß und däuchen uns als ein Geschenk des Himmels. Arbeit ist und bleibt ein Segen, und der Gott, der die aus dem Paradies Vertriebenen strafte, hat gestraft wie ein liebender Vater immer strafen sollte und doch ein Gott nur strafen kann, als er sprach: Im Schweiße Deines Angesichts sollst Du Dein Brot essen. Da blickt mancher trüb in die Zukunft, denkt an Steuern und an hohe Preise nach dem Kriege und fürchtet im Stillen die Einschränkungen und das harte Arbeiten. Und doch ist alles das wahrscheinlich der einzige wirkliche Segen des Krieges.

Wie freue ich mich schon jetzt auf all' die Arbeit, die meiner harrt! Wie schön sollen dann aber auch die Feierstunden sein. Nicht seltener werden sie kommen als früher. Im Gegenteil. Im Grunde genommen wird doch auch jede Stunde Arbeit an unsern Kindern Feierstunde und Erholung zugleich sein. Das hoffe ich zu Gott. Wenn diese Stunden nur erst da wären! - Aber scheint heute nicht alles noch in unendlich weiter Ferne? Mehr fast denn je. Unsere Erfolge vor Verdun nimmt man uns mit leichter Hand, fast spielend, wieder. Hat die deutsche Kraft nachgelassen? Die Feinde werden's glauben, den Neutralen wird's jubelnd verkündet werden. Uns Kämpfern hier an der Somme hat's Herz still gestanden für ganze Augenblicke. Wir haben's nicht glauben mögen, was erst als Gerücht hier durchkam. Und gestern habe ich meinen Augen nicht getraut, als ich den Heeresbericht sah. 'Hast Du Dich zürnend gegen uns gewendet?' so fragt man seinen Gott. Und in heißer Herzensangst habe ich inbrünstiger als sonst noch gefleht zum Herrn der Heerscharen. Vergeßt auch Ihr daheim das Beten nicht! Nur einer kann noch helfen in des armen Vaterlandes traurig tiefer Not. Das sollte jeder einsehen. - Ob Du zur Kirche bist, Liesi? Es ist gerade 10 Uhr. Die Stunden fliegen. Nur noch zwei Tage, dann sind wir wieder vorn. Gut, daß Mondenschein kommt. Die Nächte sind jetzt entsetzlich finster. Auch heute scheint's trüb und regnerisch zu bleiben. Soll man dies Wetter wünschen? Das Fort Douaumont haben uns die Franzosen im Schutze des Nebels wieder abgenommen.

Gestern abend habe ich keine Post von Dir bekommen. Von der am 26./10. verunglückten Post sind wenigstens die Briefsachen wieder aufgefunden worden. Alle Pakete sind natürlich gestohlen worden. Gestern abend schickte mir Gustav ein Paket mit Äpfeln und Nüssen. Der liebe Kerl denkt eigentlich noch am meisten an mich. Rudolf schreibt nun auch häufiger. Er ist wohl für einige Tage in der Senne. Daher kann ich ihm kaum antworten. In Düsseldorf scheint's ihm nicht zu gefallen.

Eigentlich müßte ich noch einmal durch die Stellung. Da es aber ziemlich regnet, warte ich noch damit. Gestern abend bekam ich 8 Mann Ersatz. Gesunde Leute. Verluste haben wir in letzter Zeit gottlob sehr wenige gehabt. Gebe Gott, daß das so bleibt!

Mit herzlichstem Sonntagsgruß u. heißen Küssen für Dich und unsere Lieblinge u. mit treuem 'Gott befohlen' bin u. bleibe ich

Dein Dich liebender Paul.

16.03.2013 в 00:24


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