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Kriegsende und erlebte Befreiung 1945

17.04.1945
Beesedau, Berlin, Deutschland

Mitte April 1945 näherte sich die Front auch meinem Heimatort Beesedau an der Saale. Geschützdonner und Kampflärm in der Umgebung verkündeten es. Die US-Army war südlich von uns bei Könnern über die Saale gesetzt und nach Westen und Norden vorgestoßen. So nahmen wir den Feind nicht wie erwartet aus Westen kommend wahr, sondern aus Richtung Osten. Nachdem die Stadt Bernburg nahezu kampflos besetzt worden war, bewegte sich in den frühen Morgenstunden des 17. April ein starker motorisierter Truppenteil mit Panzern und Fahrzeugen von Bernburg kommend in Richtung Beesenlaublingen.

Ich war in Erwartung besonderer Ereignisse zeitig auf den Beinen und hörte die Kettenfahrzeuge. Sofort ging ich zu unserem Dorfeingang und bemerkte, dass der Konvoi an unserem Ort vorbei rollt, ohne von uns Kenntnis zu nehmen. Kurz entschlossen ging ich die ca. 500 Meter auf den Konvoi zu und blieb an der Verbindungsstraße zu unserem Ort stehen. So etwas hatte ich noch nicht zu sehen bekommen, soviel modernes Kriegsmaterial. Ich wartete bis zum letzten Fahrzeug. Aber kein Fahrzeug bog zu unserem  Dorf ab. Ich ging zurück ins Dorf. Erst am 19. April kam ein Jeep ins Dorf gefahren, ein sehr junger Fahrer saß am Steuer, der US-Soldat war allein. Der sah in der Mitte des Dorfes deutsche Soldaten, stoppte sein Fahrzeug, sprang mit dem Gewehr im Anschlag heraus und rief „Hands up“. Es waren ca. acht kriegsmüde deutsche Soldaten, die in einer Reihe mit erhobenen Händen Aufstellung nehmen mussten.

Ehemalige französische Kriegsgefangene, die sich nun schon ohne Bewachung auf freien Fuß befanden, traten dazu. Meinem Freund Rene wurde die Waffe vom Amerikaner in die Hand gedrückt, und der fuhr mit dem Jeep davon. Offensichtlich wollte er Verstärkung holen. Das geschah unmittelbar vor dem Lager, wo die Franzosen noch immer auf dem Saal untergebracht waren. Ich war neugierig und wollte Rene nun was fragen. Da wies er mich doch zurück und sagte: „Jetzt bin ich Soldat“. Ich verstand, wich aber nicht von der Stelle. Es muss wohl schon gefährlich ausgesehen haben, denn kaum jemand unserer Einwohner ließen sich sehen. Ich war gespannt, was nun geschehen würde. Bald kamen zwei Jeeps angeprescht. Zunächst wurde Rene das Gewehr los. An seine Stelle trat ein amerikanischer Soldat. Zwischen einem amerikanischen Offizier und Rene gab es eine kurze Unterhaltung, dann winkte der Offizier mich zu ihm. Er frug mich, wo der Bürgermeister zu finden sei, ich zeigte ihm das mit Handbewegungen. Kurz entschlossen sagte er: „Come on“.

Das waren nur ein paar Schritte. Ich sagte: “Herr Bürgermeister, die Amerikaner sind eingerückt, der Offizier möchte was mit Ihnen besprechen.“ Mein Schulenglisch reichte nicht so weit, dass ich mich in der weiteren Folge noch nützlich machen konnte. Eine z.Zt. im Ort lebende junge Frau aus Köln wurde heran geholt, um die Bestimmungen der Besatzungsmacht an die Bevölkerung in deutscher Sprache zu übersetzen und öffentlich zu machen .Ich durfte mich entfernen. Ich hielt mich dennoch am Ort des Geschehens auf. Noch immer standen die acht deutschen Soldaten in Reihe, bewacht von zwei Amis, mit dem Gewehr im Anschlag. Die Franzosen verfolgten ebenso die so gegensätzliche Situation, sie waren frei und die deutschen Soldaten waren nun Kriegsgefangene. Fünf Jahre waren sie in unserem Ort gewesen.

Nach einiger Zeit trat der Gemeindediener mit der großen Glocke in Erscheinung, um die Anordnungen der Besatzungsmacht zu verkünden. Das geschah innerhalb des Ortes noch öfter, als es sonst üblich war. Es war wichtig und ging jeden Bürger an. Der Text lautete sinngemäß: Alle nazistischen Organisationen sind verboten. Alle Angehörigen der Wehrmacht haben sich sofort in der Dorfmitte am Bauernstein in Kriegsgefangenschaft zu begeben. Alle Schuss- und Stichwaffen sind unverzüglich am Bauernstein abzulegen, das gilt für alle Häuser und Haushalte. Ab sofort gilt eine tägliche Ausgangssperre von 20.00 Uhr bis zum nächsten Morgen um 6.00 Uhr. Mehr als 5 Personen dürfen nicht zusammenstehen. Zum Schluss erfolgte die Ankündigung, bei Nichtbefolgen und Zuwiderhandlungen von der Schusswaffe Gebrauch zu machen.

Nach und nach trafen einstweilen unter gekommene und versprengte Angehörige der Wehrmacht am Stellplatz ein. Andererseits kamen zahlreiche Bürger mit alten Waffen, Säbeln, sogar mit Luftgewehren ein und warfen diese dort nieder. Ungefähr 100 deutsche Soldaten traten gegen Abend einen Fußmarsch in Richtung Bernburg in die Kriegsgefangenschaft an, begleitet von Soldaten der US-Army. Unser Dorf war unbeschädigt geblieben, für uns war der Krieg vorbei. Am 25. April 1945 trafen und begegneten sich die US-Armee und die Rote Armee bei Torgau an der Elbe. Im Norden und im Süden Deutschlands wurde bis zum 8. Mai 1945, bis zur bedingungslosen Kapitulation weiter gekämpft. Ich selbst fühlte mich befreit und brauchte nicht mehr zu fürchten, eines Tages für mein widerspenstiges Verhalten gegenüber der NS-Diktatur zur Verantwortung gezogen zu werden. Es war Frieden, wie konnte ich mich darüber freuen! Der Kummer aber, dass der Vater aus diesem von den Nazis entfachten Krieg niemals zurückkehrte, blieb ein Leben lang.

Tage später traf ich einen Pimpf, Sohn überzeugter Nazis, mit dem ich im Herbst 1944 aneinander geraten war. Ich sagte sehr ernst zu ihm, dass nun die Naziherrschaft vorbei sei. Ich frug ihn, was mich denn vor Monaten hätte erwarten können, als ich mich weigerte, zum Dienst im Jungvolk zu erscheinen. Seine Antwort war, dass Abstand von weiteren Maßnahmen genommen worden sei, weil mein Vater an der Front gewesen wäre. Ich denke mir, dass der Bürgermeister das verhindert hat. Vom Alter her war ich im Frühjahr 1945  ja nun schon Heranwachsender, ich war neugierig und gespannt, wie die Dinge sich nun im Frieden und ohne Nazis weiter entwickeln würden.

07.03.2013 в 16:05

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