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Memuarist » Members » Kurt Elfering » Arbeitsbrigade in russischer Kriegsgefangenschaft

Arbeitsbrigade in russischer Kriegsgefangenschaft

26.06.1945
Borowitschi, Novgorod, Russland

Im Mai 1945 kam ich in ein Kriegsgefangenenlager in der russischen Industriestadt Borowitschi, wo wir zu Arbeitsbrigaden zusammengestellt wurden. Da ich Blechschlosser gelernt hatte, meldete ich mich als Klempner und kam zur Brigade Mechaniski, Masterskaja. Unsere Aufgabe war es, die Werkshallen des Kombinates wieder instand zu setzen.

Das Kombinat war ca. 6 km vom Lager entfernt. Da es am anderen Ende der Stadt lag, mussten wir durch die ganze Stadt marschieren. Die Russen verlangten diszipliniertes Verhalten, Gleichschritt und Gesang. In einer langen Kolonne zogen wir brigadeweise singend und im Gleichschritt durch die Stadt. Preußens Gloria hatte in Rußland wieder Auferstehung. Russische Kinder liefen neben uns her und versuchten im Gleichschritt mitzuhalten. Nach 14 Tagen hatte diese Schau ein Ende. Denn es konnte ja wohl nicht angehen, dass ein geschlagener Haufen, wie wir es waren, zweimal am Tage durch die Stadt eine Schauparade machen konnte. So wurden nun Gesang und Gleichschritt verboten, und wir durften nur noch durch die Stadt gehen.

Unsere erste Aufgabe war nun folgende: Für ein Förderband mussten wir eine Unmenge Winkeleisen auf Maß ablängen. Das sah so aus: Auf dem Hof vor der Werkstatt stand ein Amboss, ich dahinter, der Zuschläger davor. Mit einem Schrottmeißel und mit einem Vorschlaghammer wurde nach einer Liste das Material zusammengestellt. Eine andere Gruppe längte von einer Rolle lauter Drahtstücke ab und machte davon Elektroden zum Elektroschweißen. Eine weitere Gruppe unserer Brigade stapelte unentwegt Material hin und her.

Da wir in unserer Brigade lauter Fachleute waren (Schlosser, Klempner, Schmiede usw.) erinnerten wir uns daran, dass es eine Berufsehre gab. Unsere Antifa-Propagandisten hatten uns ja mit einem Rieseneifer erklärt, wie wichtig es in der Sowjetunion sei, dass der Facharbeiter am richtigen Platz stünde. Unser Brigadier wurde nun von uns beauftragt, der russischen Leitung klar zu machen, dass unsere Arbeit nicht der beruflichen Qualifikation entspräche. Jedenfalls kam einige Tage später ein Betriebsleiter des Kombinates mit einem russischen Offizier und versuchte, uns mit viel Geduld beizubringen, dass wir den Krieg verloren hätten und nun Kriegsgefangene in der Sowjetunion seien. Er hat es auch geschafft und ich bewundere noch heute die Geduld des Offiziers. Somit haben wir weiter gehämmert und gestapelt.

Nach einiger Zeit wurde unsere Brigade zu einer anderen Abteilung versetzt, und zwar zur Mechanischen Zentralwerkstatt. Unsere Aufgabe war es hier, die Fenster der Werkshallen zu verglasen. Die Fenster waren Stahlkonstruktionen und ausgebaut, sie standen in Stapeln im Hof herum. Ein älterer russischer Arbeiter mit einem Riesenvollbart war schon in Aktion. Er hatte ein Fenster auf zwei Böcken liegen und knetete ein Sand-Teer-Gemisch, welches in einem großen Kessel erhitzt wurde - als Kitt Ersatz zwischen Glas und Fenster.

Wir fingen nun auch an. Nach einigen Stunden waren unsere Daumen fix und fertig und verschrumpelt. Bei den Fensterbergen schienen unsere Daumen dem Untergang geweiht zu sein. Auf dem Heimweg kam uns die Erleuchtung. Wir besorgten uns von der Lagerküche leere Konservendosen (Oskar Mayer aus Chicago) und machten uns Schöpfkellen daraus. So zogen wir am nächsten Morgen damit zum Kombinat. Eine Gruppe unserer Brigade stellte 5 Fenster schräg an die Wand, die zweite Gruppe legte die Scheiben in die Fenster. Das Teer-Sandgemisch wurde zähflüssig heiß gemacht, und Gruppe drei goss mit den Kellen das Gemisch in die Fenstersprossen. Beim letzten Fenster angekommen, war das erste schon um 90 Grad gedreht und es ging wieder von vorne los. So waren im Handumdrehen die ersten 5 Fenster verglast. Unsere Daumen hatten somit wieder Überlebenschancen. Anschließend wurden die nächsten 5 Fenster an die Wand gestellt und der Vorgang wiederholte sich. So geschah es noch einige Male. Unser russischer Mitarbeiter schaute irritiert zu und verstand die Welt nicht mehr.

Als der Tag zu Ende ging und der russische Betriebsleiter uns die Leistung in Prozenten bestätigen wollte, war er total verblüfft. Ohne es zu wollen, hatten wir alle Leistungsrekorde gebrochen. 125 % brauchten wir, um unser Arbeiterbrot zu bekommen. Heute hatten wir 300 % bekommen und waren auf einmal eine hochgeehrte Stoßbrigade. Der Ruf eilte uns voraus. Als wir im Lager ankamen, wurden wir dort gelobt und gepriesen. Wir wollten wirklich nicht den wilden Mann spielen, aber unsere Daumenschutzmaßnahme machte die Verglasung automatisch schneller und leichter. Als alle Fenster verglast waren, wurden wir in dieser Mechanischen Zentralwerkstatt alle in unseren Berufen eingesetzt. Hier habe ich sogar noch das Feilenhauerhandwerk erlernt.

04.03.2013 в 03:44

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