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Memuarist » Members » Gertrud Mohr » Feldpostbriefe unseres Großvaters, 1916, 4.1

Feldpostbriefe unseres Großvaters, 1916, 4.1

18.10.1916
Douaumont, Frankreich, Frankreich

Feldpostbrief, 18. Oktober 1916

Im Bismarckstollen am Ancretal, den 18. Oktober 1916 
B 6, donnerstags, nachmittgs. 5 Uhr.

Mein heißgeliebtes, gutes Lieschen!

Da bin ich nun wieder glücklich im schönen Bismarckstollen. Ein Tag ist sogar schon wieder um. Die 14 Tage werden wieder recht schnell verfliegen. D.h. wenn nicht wieder so wahnsinnige Angriffe folgen, wie die letzten 14 Tage hier im Bismarckstollen wir sie beobachten mußten.

Beschossen werden wir ja hier nicht mehr und nicht weniger als vorn. Aber es tut wohl, nicht die Verantwortung in erster Linie tragen zu müssen. Insofern bedeuten die 14 Tage hoffentlich eine Erholung! Und wenn sie um sind, ist auch der Oktober um und damit die Zeit, die uns eigentlich für diese Stellung bestimmt war. Es wird ja auch für diese Zeit von Ablösung geredet. Ich glaube zwar nicht daran, und wir alle wünschen es auch kaum. Niemand weiß, was folgt.

Nun hatten wir vorige Nacht gewaltigen Regen. Aber dem Engländer scheint das nichts zu machen. Die Artillerie schießt mehr als sonst. Gestern abend bekam's mein schöner Graben. Er sah beim Abschied übel aus. Ich wollte noch einmal durchgehen, hatte mir einen zerschossenen Unterstand angesehen, in dem wie durch ein Wunder niemand verletzt worden war, und mußte dann wieder umkehren. Eine Granate hatte zwei englische Leichen, die vom 3. Septb. noch herrührten u. die dicht am Graben verscharrt gewesen waren, wieder hochgehoben u. sie genau mitten in unsern Graben geworfen. Dem Geruch hielten meine Nerven doch nicht stand. Zwei brave Sanitäter haben sie trotzdem wieder fortgeschafft. Wann mögen so arme unglückliche Leichen endlich die letzte Ruhe finden? Noch nicht einmal, wenn Frieden wird. Man muß doch die Schützengräben später wieder einebnen. Ob man dann wohl die Gebeine sammeln wird? Ob man nicht hart u. abgestumpft wird? Viel zu sehr, um alle wahre Menschlichkeit zu vergessen und zu verachten? Jedenfalls wird man dann nicht mehr unterscheiden Können zwischen Freund und Feind. Die Knochen erzählen davon nichts.

Gestern abend hat's Abendessen mal wieder gut geschmeckt. Mein Bursche hatte mal wieder gekocht, u. der versteht's. Zur Feier des Tages gab's sogar Pudding mit eingekochten Erdbeeren. Der Pudding war aus kondensierter Milch und Puddingpulver entstanden. Er schmeckte natürlich auch dementsprechend. Aber es war doch wenigstens mal wieder Pudding! Vor ein paar Tagen gabs sogar mal Apfelbrei. Ltn. Reinecke hatte mir einen Sack Äpfel besorgt. Roh nicht zu genießen. Aber der Apfelbrei war umso schöner. Das beste ist aber mein guter Appetit. Ich bin zwar längst nicht wieder so dick geworden als ich mal war. Aber mein Befinden ist vorzüglich, u. das ist die Hauptsache. Erkältungen kenne ich kaum. Und wenn sie mal kommen, sind sie auch über Nacht wieder fort. Die 6 langen Wochen habe ich zwei Taschentücher gehabt. Sie sind selten gewaschen und haben vollkommen ausgereicht. Auch mein Rheumatismus regt sich nur zeitweise noch und ist zu ertragen.

Du brauchst Dir also keine großen Sorgen zu machen, I.L! Wenns ruhiger wird, halte ich noch einmal einen Winter aus, wenn's sein muß. Wenn wir dann nur nicht in gar zu nasse Gegenden kommen! Nun, da wir sozusagen im Winter drin sind, zweifelt am Winterfeldzuge niemand mehr. Traurig, aber wahr!

Gestern abend kam nur ein Brief von Siekmann. Über den kann man sich freuen. Und wenn ich glücklich heimkommen sollte, werden wir um so lieber auch mit Siekmanns verkehren, nicht wahr, Liesi? Nun höre ich aber so allgemein von Deinem frischen guten Aussehen rühmen, Liesi, daß ich daran glauben muß! Daß es so bleibt, ist nun natürlich Deine Sache. Mahnen u. bitten will ich nicht. Aber ich vertraue fest auf Deine Einsicht.

Morgen finde ich hoffentlich wieder Zeit zum Schreiben! Ich hoffe sogar mal wieder gute Bücher lesen zu können. - Gott befohlen, mein treues Lieb! Grüß u. küß mir meine beiden herzlieben Jungen, sei aber vor allem auch Du innigst gegrüßt u. geküßt von

Deinem Dich treu liebenden Paul.

15.03.2013 в 19:08

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