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Memuarist » Members » Manfred Heyde » Die Geschäftswelt in der Berliner Pannierstraße in den 1950er Jahren

Die Geschäftswelt in der Berliner Pannierstraße in den 1950er Jahren

12.06.1958
Berlin, Deutschland, Deutschland

Am Anfang der Pannierstraße, in dem Straßenstück zwischen Sonnenallee und Weserstraße gab es bis Ende der 50er Jahre relativ viele Geschäfte. Um Dinge des täglichen Bedarfs einzukaufen, brauchte man nur eben mal „runter gehen“.
In unserem Haus, der Nummer 6, gab es einen „Milchladen“, der auch Kaffee, Butter, Käse, Nudeln, Mostrich, Eier usw. verkaufte, und zwar alles über die Theke. An Sonn- und Feiertagen konnte man vormittags dort auch schon mal „hinten rum“ etwas bekommen. Die Milch wurde mit einer speziellen Maßkelle aus einem großen viereckigen Behälter herausgeschöpft, der mit einer dicken Holzklappe abgedeckt war, und dann in die mitgebrachten Behältnisse, Milchkanne oder Topf gegossen. Wenn meine Mutter mich Milch holen schickte, hatte ich immer schon die Hälfte ausgetrunken, bevor ich wieder in der Wohnung war.
Bei Kindern hoch im Kurs standen die „Sanella-Bilder“, die die Margarine-Union AG Hamburg in den frühen 1950er Jahren ihren Pflanzenmargarine-Packungen beilegte. In den zugehörigen länderkundlichen Sammelalben begleitete man jugendliche Abenteurer auf ihren Reisen durch ferne Länder. Zunächst folgte man dem Hamburger Jungen Jürgen Hansen durch Afrika. In den anschließenden Alben ging es hoppladihopp durch Mittel- und Südamerika sowie durch Australien, und im letzten durch China, Tibet und Japan. Die Aquarellbilder der Afrika Ausgabe haben bei mir den größten Eindruck hinterlassen und nährten lange meine kindliche Vorstellung vom „dunklen Erdteil“.
Dem Niedergang der Tante-Emma-Läden versuchten die Ladeninhaber schon frühzeitig entgegenzuwirken, indem sie immer mehr Feinkostartikel, also besondere oder mit besonderer Sorgfalt ausgewählte Lebensmittel in ihr Sortiment aufnahmen.
Neben dem Milchladen etablierte sich etwas später ein kleiner Zeitungsladen, wo man auch Zigaretten und Zigarren erstehen konnte; der Ladeninhaber hatte vorher einen Zeitungsstand betrieben. Dieses kleine Geschäft florierte anscheinend erstaunlich gut, denn die Familie war unter den ersten in der Straße, die nach Italien in Urlaub fuhren. Ihr hübscher Sohn, der bezeichnenderweise Mario hieß, war genau wie seine Mutter das ganze Jahr über sonnengebräunt.
Direkt links neben dem Hauseingang befand sich ein winziges Ladengeschäft, in dessen Schaufenster zuerst Kärtchen mit Verkäufen sowie Tausch- und Kaufgesuchen aushingen. Später wurden dort bis in die 60er Jahre „Nylons“ mit „Laufmaschen“ zur Reparatur angenommen. Der jungen Frau, die diese Arbeit übernahm, konnte man im Schaufenster dabei zusehen, wie sie die Maschen mit einer elektrischen Häkelnadel aufnahm und befestigte.

(…)

In Richtung Weserstraße, gab es im Nachbarhaus einen Süßigkeitenladen. Dort bekam man zu meiner Zeit für einen Pfennig zwei von den „Wanderdrops“ genannten „Lutschbonbons“, und aus einem außen befestigten Automaten konnte man für zehn Pfennig ein Päckchen mit fünf Storck-Riesen ziehen. Das waren klebrige Sahne- oder Karamellbonbons, die bald als sogenannte „Plombenzieher“ in Verruf kamen. Einer unserer Spielkameraden, ein kleinwüchsiger Spätentwickler, hatte so schmale Hände, dass er in den Auswurfschacht des Automaten langen und eine Sahnebonbonpackung greifen konnte.
Brausepulver in Tütchen war ebenfalls recht beliebt. Es wurde aber kaum noch für Getränke verwendet. Stattdessen schütteten wir es in die Hand und leckten es auf, um den Geschmack aufzunehmen und das von der Kohlensäure verursachte „Brausen“ zu spüren.
Sehr amerikanisch kamen mir die in silberfarbenem Papier eingewickelten Kaugummistreifen vor. Furore machte später der „Bubblegum“, eine Art Kaugummi, mit dem sich mit ein wenig Übung Blasen von erstaunlicher Größe formen ließen. 
Neben dem Süßigkeitengeschäft befand sich ein Fahrradladen mit zwei großen Schaufenstern rechts und links der Eingangstür. Dieses Geschäft verlieh die Roller mit den neuartigen „Ballonrädern“, und später auch die „Bambiräder“, mit denen ich, so oft ich es mir leisten konnte, ums Karree sauste.
Ein Haus weiter war „unser“ Fleischerladen: „Rind- und Schweineschlächterei“ stand da auf einem großen Glasschild über der Ladenfront. Außen am Geschäft zeigte eine Fahne an, wenn geschlachtet worden war. Ich musste dann immer los und für kleine Münze warme „Wurstsuppe“ holen.

(…)

Im Eckhaus an der Weserstraße gab es eine Bäckerei und außerdem noch einen Elektroladen, in den später eine Fahrschule einzog. In der Bäckerei konnten übrigens die Frauen bis Anfang der 50er an den Wochenenden ihren Blechkuchen zum Backen abgeben. Im Schaufenster des Elektrogeschäftes lag lange die von mir heißbegehrte Taschenlampe aus, die ich jedoch nie
bekommen habe.

(…)

Direkt gegenüber „meinem“ Wohnhaus war der in dieser Zeit der Ofenheizung überaus wichtige Kohlenladen, der die ganze Straße mit Hausbrand versorgte. Im Eimer holten wir in dem vom Kohlenstaub total eingeschwärzten Laden die üblichen „Eierkohlen“, und später trug ich jeweils einen „Zentner“ quaderförmige „Briketts“ wie ein „Kohlenträger“ mit dem von einem um den Arm gewickelten Lederriemen gehaltenen Holzkasten auf dem Rücken in unsere Wohnung hoch.
Das Geschäft im Haus neben dem Kohlenhandel war eine „Heißmangel“, also ein Geschäft, in dem man seine gewaschene, meist noch feuchte Großwäsche abgab, um sie dann schrankfertig zurückzubekommen. Wieder ein Haus weiter hatte ein Buchmacher seinen Wettladen.
Das letzte Geschäft zur Sonnenallee hin war ein Schreibwarenladen, der Zeitungen, Schulhefte, Bleistifte, Federn sowie Radiergummis, und zu Silvester Feuerwerkskörper im Angebot hatte. Um die Ecke herum, auf der Sonnenallee, gab es auch eine Apotheke.
In dem kleinen Reststück der Pannierstraße auf der anderen Seite der Sonnenallee hatte ein „Kuhstall“ die Zeiten überdauert. Kuhställe waren früher in Berlin keine Seltenheit, bis dann die Eisenbahn frische Milch aus den Dörfern in die Stadt brachte. Die Stallungen in der Pannierstraße beherbergten mehrere Milchkühe und wohl auch noch anderes Vieh. Die Milch, die ab einer bestimmten Zeit sterilisiert war, wurde frühmorgens in einem kleinen Laden vor dem Hof
verkauft.
In der städtischen Umgebung an Futter für die Tiere zu kommen, war sicher nicht leicht, während die Haushalte ein wenig Holz zum Anzünden der Öfen gut gebrauchen konnten. Daraus wurde dann wohl seitens der Viehhalter die Idee geboren, Kartoffelschalen und Gemüseabfälle im Tausch gegen Anzündholz einzusammeln. Durch die Pannierstraße fuhr in den ersten Nachkriegsjahren zu festen Zeiten ein kleiner Dreirad-Transporter. Einer der Männer ging dann immer auf die Höfe, schwang eine Handglocke und verkündete in bester Ausrufermanier: „Brennholz für Kartoffelschalen“. Frauen und Kinder kamen dann mit Eimern oder Blechschüsseln herunter und erhielten für ihre Abfälle ein Bündelchen Brennholz.

Bezüglich des Einzelhandels sei noch erwähnt, dass Lebensmittel damals bei Bedarf mit Eis gekühlt wurden. Das von Eisfabriken produzierte Blockeis hatte einen Querschnitt von etwa 20 cm x 20 cm und war bis zu 1,50 m lang. Abnehmer waren gewerbliche Verbraucher wie Brauereien, Kneipen und Obsthandlungen aber auch Haushalte. Hinter dem Lieferwagen, der oft langsam durch unsere Straße rollte, sammelten sich besonders im Sommer die Kinder, um ein Stück von dem Eis zu ergattern. Einer der Abnehmer war die Eckkneipe an der Weserstraße, die aber oft noch geschlossen hatte. Der Fahrer legte dann den Eisblock einfach vor die Tür.

Neben den Dingen des täglichen Bedarfs konnte man in der Pannierstraße ohne weiteres auch jemanden finden, der einem die Zukunft aus den Karten las. Schwieriger war schon die Suche nach einem niedergelassenen Mediziner. Die Ärzte hatten ihre Praxen zumeist in den großen Geschäftsstraßen, zum Beispiel in der Karl-Marx-Straße oder am Kottbusser Damm. In der Pannierstraße ist mir nur ein Dentist in Erinnerung, der seine Behandlungsräume gegenüber dem Kuhstall hatte. „Dentist“ war eine bis 1952 neben den Zahnärzten existierende Berufsbezeichnung für einen Zahnheilkundigen ohne akademische Ausbildung.

Апублікавана 28.02.2013 в 04:51

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